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Baden-Würt­tem­berg: "Wie viel Geheim­dienst verträgt die Demokra­tie?“

26. Juli 2011

Wie viel Geheimdienst vertragen die Demokratie und die Menschen, die in ihr leben? Diese Frage stellten sich wohl viele der 130 Zuhörerinnen und Zuhörer am 9. Juni 2011, als Dr. Rolf Gössner im Rahmen der Veranstaltungsreihe TACHELES über seine Sicht auf das Bundesamt für Verfassungsschutz berichtete. Denn von eben diesem wurde der heute in Bremen lebende Publizisten, Rechtsanwalt und Vize-Präsidenten der Internationalen Liga für Menschenrechte fast vier Jahrzehnte beobachtet. Erst ein fünf Jahre währendes Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln setzte im Februar dieses Jahres mit der Erklärung der Rechtswidrigkeit der Beobachtung einen zumindest vorläufigen Schlusspunkt unter den Vorgang, der am Ende 2.000 Aktenseiten füllte.
In seinem Vortrag sprach Gössner zunächst über das von ihm betriebene Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland, durch welches er vollständige Einsicht in seine Personenakten erhalten sowie die jahrzehntelange Überwachung gerichtlich für rechtswidrig erklären lassen wollte. Dabei zeigte seine Darstellung die Kreativität des Verfassungsschutzes bei der Suche nach Gründen für die Überwachung, mit welcher Verbissenheit an der Legitimität seiner Beobachtung festgehalten wurde. Die hierzu aus den Akten und dem Prozess hervorgehenden Ausführungen zeigten laut Gössner, was eine selektive, ideologisch motivierte Sicht aus dem eigenen Leben machen könne. Eindringlich beschrieb er, wie zentral daher die Rückerlangung der eigenen Deutungshoheit in diesem Punkt sei.
Zudem stellte er an diesem Abend auch die Frage nach den Grenzen, die den kaum kontrollierbaren Nachrichtendiensten und ihren geheimen Maßnahmen zu setzen seien und deren Einhaltung speziell im Umgang mit Berufsgeheimnisträgern, wie Anwälten und Journalisten und im Rahmen unabhängiger Menschenrechtsarbeit von besonderer Bedeutung ist. Gerade dass nach einer so lang andauernden rechtswidrigen Datenerfassung und Auswertung noch der größte Teil der Akten geheim gehalten werden dürfe, zeige nach Gössner, dass es sich letztlich um eine demokratieunverträgliche Institution handele, für die das Prinzip demokratischer Transparenz und Kontrollierbarkeit praktisch nicht gelte. Kontrolleure seien hier immer im Hintertreffen, eine Prävention nicht möglich.

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