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Baden-Würt­tem­berg: Polizei­liche Langzeit-Vi­deo­über­wa­chung von zwei Tübinger Wohnpro­jekten unzulässig

12. August 2020

In: Mitteilungen 242 (12/2020), S. 26 – 27

Mit der Pressemitteilung vom 16. Juni 2020 macht die HU den Beschluss des Landgerichts Tübingen vom 11. März 2020 bekannt. Der Beschluss verbietet der Polizei (und der Staatsanwaltschaft) in eigener Machtvollkommenheit zwei linke Wohnprojekte in Tübingen einer Langzeit-Videoüberwachung zu unterziehen. Das Landgericht hat die im Jahre 2016 für zwei Monate angeordnete allnächtliche Videoüberwachung der Eingänge der Wohnprojekte für rechtwidrig erklärt und die gegenteilige Auffassung von Polizei, Staatsanwaltschaft und Amtsgericht Tübingen zurückgewiesen.

Die Videoüberwachung war angeordnet worden, weil es sich bei diesen Wohnprojekten „um einschlägig bekannte linke Szeneobjekte [gehandelt habe], in welchen Angehörige der linksautonomen Szene wohnhaft sind.“ In „fußläufiger Nähe“ seien vier PKW Gegenstand von Brandstiftungen geworden. Nachträgliche Bekennerschreiben in der zwischenzeitlich verbotenen Plattform linksunten.indymedia.org und ein erst nach dem Löscheinsatz am nächsten Tage festgestelltes Graffiti „R94“ ließen die Polizei von sog. Resonanzstraftaten auf die Räumung des besetzten Hauses Rigaer Str. 94 in Berlin ausgehen. Wegen Erfolglosigkeit hat die Polizei die Überwachung nach einem Monat beendet.

Entgegen der Verpflichtung in der Strafprozessordnung (§ 101 Abs. 4 Nr. 12 StPO) ist keine nachträgliche Information der beobachteten Bewohner erfolgt. Diese erfuhren zufällig durch einen in der Straße wohnenden Nachbarn, bei dem Polizei die Videoanlage hatte installieren wollen, von der polizeilichen Absicht. Erst durch Einschaltung des Landesdatenschutzbeauftragten Dr. Brink war bekannt worden, dass die Polizei ihre Absicht tatsächlich auch realisiert hatte.

Das Landgericht Tübingen hat nun vier Jahre später die Videoüberwachung wegen fehlender richterlicher Anordnung gem. § 163f Abs. 1 Nr. 1 StPO für rechtswidrig erklärt und damit auch die Ansicht des Landesdatenschutzbeauftragten bestätigt.

Die nach Bekanntwerden der Videoüberwachung beantragte richterliche Überprüfung zeigt, dass sich auch eine nachträgliche juristische Gegenwehr durchaus lohnen kann.

Die Wohnprojekte wurden in dem Rechtsstreit von der HU unterstützt und vom dortigen Landesvorsitzenden, Rechtsanwalt Udo Kauß, vertreten.

Letzte, und vom Ergebnis her ebenfalls letzte Meldung:

Am 31.07.2020 hat das Verwaltungsgericht Freiburg die Klage der HU zurückgewiesen, mit der die HU die Erlaubnis erstreiten will, in einem seit 1806 im Staatsbesitz befindlichen und noch länger nicht mehr Sakralraum,  der malerisch gelegenen Tennenbacher Kapelle nahe Freiburg, abhalten darf.  Dieser wird zu vielfältigen musikalischen und auch kirchlichen Veranstaltungen genutzt und ist 1995 wunderbar und aufwändig auf Staatskosten restauriert worden. Konkret wurde uns eine Vortragsveranstaltung mit dem Titel „Zum Stand der Trennung von Staat und Kirche. Ein Verfassungsauftrag“ mit unserem sachkundigen Referenten Johann-Albrecht Haupt verweigert.  Eine Begründung des Urteils liegt noch nicht vor. An die Badische Zeitung, die prominent hierüber berichtete, haben wir dazu geschrieben:

In jedem Fall bleiben wir als Bürgerrechtsorganisation, die sich seit ihrer Gründung für die Realisierung der Trennung von Staat und Kirche einsetzt, diesem Verfassungsauftrag weiterhin verpflichtet. Wir wollen als HU der Kath. Kirchengemeinde Emmendingen, mit ihrem Anteil von nur noch rd. 25 % an der Bevölkerung, keineswegs streitig machen, sie die Kapelle weiterhin auch nutzen kann. Wir meinen allerdings, dass über die Nutzung anderer Gruppen nicht der Katholische Pfarrer von Emmendingen bestimmen darf, sondern nur der Eigentümer des weltlichen Kapellenraumes. Und das sind das Land Baden-Württemberg, und seine Behörden. Nur das Land darf darüber bestimmen, ob wir eine Vortragsveranstaltung mit bürgerrechtlichen Themen, konkret dem Thema

Staat und Kirche, abhalten dürfen oder nicht. Das Land ist im Gegensatz zu den Kirchen an die Beachtung des Grundgesetzes.

Wir werden unser Recht hoffentlich eine Instanz höher, beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg finden.

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