Walter Mossman, das unmögliche verlangen. Erinnerung eines Liedermachers
Natürlich war es blanker Unfug, als einige postheroische Schlauberger nach dem Zusammenbruch des Realsozialimus vom „Ende der Geschichte“ faselten. Trotzdem geht mit zunehmender Verbreitung der modernen Kommunikationstechnologie eine Kultur des Vergessens einher – wer ständig online ist, hat wenig Nerv zum Rückblick.
Der Hegemonie des permanenten Smalltalks hält Walter Mossrnann eine sehr subjektive Erinnerung an zwei bewegte und bewegende Jahrzehnte entgegen: die 60er und 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Der Untertitel ist mehr als ironische Koketterie, denn der Autor legt im Schreiben immer wieder die Methode offen, wie er sich vorsichtig tastend der möglichen historischen „Wahrheit“ anzunähern versucht. Dabei geht er nicht chronologisch vor, sondern strukturiert nach inhaltlichen Schwerpunkten: die künstlerische Entwicklung vom frankophilen Chansonnier zum wichtigsten Liedermacher der undogmatischen neuen Linken, der zunehmend schärfere Blick auf Länder der „Dritten Welt“, Solidarität mit dem Widerstand gegen die Diktaturen in Spanien und Chile…
Und dann die prägende (und vom Autor mitgeprägte)
Efahrung der neuen, ökologisch orientierten Bürgerinitiativen – für Mossmann das wichtigste politische „Erbe“ von ’68. Nicht nur in diesem Abschnitt fällt angenehm auf, dass häufig Freundinnen, Freunde, frühere Weggefährten zu Wort kommen und auch namentlich gewürdigt werden – der große Gesang vom einsam heroischen Kämpfer hebt sich auf in der kollektiven Erinnerung, in der viele ihren Platz behalten dürfen. (Heinz Auweder)
Walter Mossmann: realistisch sein: das unmögliche verlangen. Wahrheitsgetreu gefälschte Erinnerungen. Edition Der Freitag, Berlin 2009, 252 S., 19.80 €